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Rede zu der GLÄNZENDEN AKTIONSTAGEN der VIELEN zum 8.Mai 75 Jahre Tag der Befreiung, Kriegsende und Niederschlagung des Nationalsozialismus und 9. Mai 70 Jahre Europäische Union

 von Holger Bergmann, gehalten am 9. Mai 2020 gegen 12:45 am BRANDENBURGER TOR.

Redetext
Was für  ein tolles, herzliches Zeichen, habt ihr hier gerade mit der EUROPAHYMNE DER VIELE gesetzt. Ganz, ganz herzlichen Dank an den Chor der Statistik und dem Chor vom Haus der Kultur der Welt. Dank an jede Einzelne von Euch - hier auf dem Platz der 18.März am Brandenburger Tor und auch an die VIELEN in über 50 Städten aus den 35 regionalen ERKLÄRUNGEN DER VIELEN, die schon seit gestern Abend hunderte von Beiträgen zu den GLÄNZENDEN AKTIONSTAGEN beisteuern und nicht nur im Internet ein „Glänzendes Rauschen“ für eine offene, demokratische und vielfältige Gesellschaft erzeugen. Danke, dass Ihr DIE VIELEN seid.

DIE VIELEN fordern in einer Petition, den 8. Mai dauerhaft und bundesweit zum Feiertag zu machen. Es ist Zeit eine offene Erinnerungskultur zu schaffen, um am 8. Mai die Befreiung, die Niederschlagung des Nationalsozialismus, das Kriegsende zu gedenken und zu feiern. Deshalb unterstützen DIE VIELEN die Forderung der KZ-Überlebenden und Vorsitzenden des Ausschwitz-Komitees Frau Esther Bejarano nach einem bundesweiten Feiertag. Hierfür haben wir bislang gemeinsam mit dem VVN (Bund der Vereinigten Verfolgten des Naziregimes) über 120.000 Unterschriften gesammelt und diese vor zwei Tagen (am 6.Mai 2020 ) stellvertretend an die Vizepräsidenten  des Deutschen Bundestages, Claudia Roth, Petra Pau und Thomas Oppermann, übergeben. Bietet doch gerade dieser Tag, der 8.Mai, die Gelegenheit, „über die großen Hoffnungen der Menschheit nachzudenken“, wie Esther Bejarano schreibt: „Über Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – und Schwesterlichkeit. Damit Auschwitz nie wieder sei – und dieses Land sich ändert!“ 

Natürlich wollen wir feiern, dass Nazi-Deutschland im Mai 1945 besiegt wurde, es ist der zentrale Tag in der Historie dieses Landes. Aber auch ein Tag, an dem Deutschland den von Deutschen im Nationalsozialismus begangenen Verbrechen sehr nahe ist. Angesichts der besiegten Nation gab es kein Verstecken und keine Gesetze mehr, die das Morden, aufgebaut auf Lügen des Nationalsozialismus -auch nur eine Sekunde- weiter rechtfertigten. Es ist zu feiern, dass Hitler-Deutschland, der Nationalsozialismus, die Großeltern in der Wehrmacht, die Nachbarn, die die jüdischen Wohnungen geplündert hatten, die Denunzianten und diejenige, die stillschweigend oder laut jubelnd vom Unrecht profitierten, dass all diejenigen nicht gesiegt haben.

Die alliierten Streitkräfte haben gemeinsam erst die Perspektive für eine demokratische Gesellschaft gelegt. Wir wissen sie haben nicht überall Freiheit gebracht. Unser Dank geht an die Menschen, die als Befreier*innen kamen für die jüdische Bevölkerung und die Überlebenden in den Vernichtungslagern: Juden, Homosexuelle, Kommunisten, Sinti und Roma, NS-Gegner, Christen, Menschen mit anderen körperlichen oder geistigen Möglichkeiten. Keine Frage, als hier Lebende sind wir dankbar dafür, dass die Alliierten, Deutschland am Weitermorden gehindert und das größte Verbrechen der Menschheit, die Shoah, beendet haben.  Nie wieder!

Der Nationalismus führt zu einer begrenzten Perspektive auf die Bevölkerung eines Landes und unterstützt die Ausgrenzung von Menschen. Er ist Wegbereiter für Antisemitismus, Rassismus und Gewalt. Es gibt längst einen Schluss in dieser verbrecherischen Geschichte und das war der Sieg, der Sieg der sowjetisch-jüdischen Soldatinnen und der schwarzen amerikanischen Soldaten über Nazi-Deutschland am 8. Mai 1945. Daran gilt es mit einem Feiertag für alle Bewohner*innen am 8.Mai zu erinnern.

Wir als DIE VIELEN verbinden, wie Ihr es als Chor der VIELEN so wunderbar im STREAM, auf den Balkonen, Bühnen und Plätzen wie hier am Brandenburger Tor sichtbar und hörbar gemacht hab, den Tag der Befreiung mit dem 9.Mai, dem EUROPA Tag. Am 9. Mai vor 70 Jahren wurde die EU gegründet, als Versuch einer politischen Aushandlung über die nationalstaatliche Verfasstheit der einzelnen Länder hinaus. Aktuell wird deutlich, dass politisches Handeln auch immer Macht über Leben und Tod beinhalten kann und das gilt nicht erst seit Beginn der Pandemie, sondern schon länger mit Blick auf die EU-Außengrenzen, den Geflüchteten in Lagern und den Schutzsuchenden auf dem Mittelmeer.   Die EU ist ein Versuch, seit den letzten Jahren ein schlechter Versuch. Wenn die Regierungen jetzt davon sprechen keinen zurückzulassen, dann bedeutet dies KEINE*N- innerhalb aber gerade auch außerhalb EUROPAs: Leave No One Behind! Please, Leaders of Europe open the borders!

Im Angesicht einer Pandemie, einer globalen Klimakrise und weltweiter Migration hilft keine enge nationalstaatliche Sicht. Die globalen Aushandlungsmöglichkeiten haben keinen nationalen Souverän - in translokalen Zeiten eines internationalen Zusammenlebens sind wir VIELE.

Wir müssen Formen der internationalen, demokratischen Aushandlung weiterentwickeln. In Deutschland leben heute mehr als zehn Millionen Menschen ohne deutschen Pass, in vielen Ländern ist die Bevölkerung multinational geprägt, die Bewohner*innen müssen auf der Ebene der Regionen, Länder, Kontinente mitentscheiden können! Ein ‚Recht auf Rechte‘ darf nicht an die Passzugehörigkeit gebunden sein, sondern muss für jede*n dieser Erde in Form der Grundrechte und der Mitbestimmung, des Wahlrechts am aktuellen Lebensort Gültigkeit erhalten.  WIR SIND VIELE JEDE*R EINZELNE VON UNS!

Zum heutigen Europatag haben die Musiker*innen Bernadette La Hengst und Barbara Morgenstern eine alternative Europahymne der Vielen verfasst, die zu einem offenen und solidarischen Europa aufruft und die wir jetzt noch einmal gemeinsam singen werden.

Davor noch ein Satz: Am 8.Mai 2021 sind wir wieder europaweit auf den Straßen und feiern den Tag der Befreiung und den Europatag, auf das der Rechtsextremismus nie wieder regiert. Für ein offenes Europa der Vielen!

Europahymne der Vielen:

Freude lässt uns schöner glänzen,

Tochter aus Elysium,

öffne deine Außengrenzen,

und bleibe Refugium,

Die Nationen sind von gestern,

in Europa und weltweit.

alle Menschen werden Schwestern

in der Freude wie im Leid.

 

Freude lässt uns größer werden                                  

Wir sind viele, werden mehr,

Solidarisch miteinander

ist doch gar nicht mal so schwer.

Dafür wolln wir weiter kämpfen,

Freiheit und Demokratie 

sind die Pfeiler der Gesellschaft.

So wie die Kunst und Poesie!

Holger Bergmann, Rede zu den GLÄNZENDEN AKTIONSTAGEN gehalten am 9.Mai 2020 im GLÄNZENDEN STREAM und am Brandenburger Tor.

„Die Vielen“ haben rund 120.000 Unterschriften für einen gesetzlichen Feiertag am 8. Mai an den Bundestag übergeben. In einem Glänzenden Stream wurden am 8. und 9. Mai länderübergreifenden Aktionen für eine lebendige Erinnerung an den Tag der Befreiung und den Förderungen für ein offenes und gerechteres Europa sichtbar gemacht. Am 8. Mai zeigte der sechsstündige Live-Stream Aktionen und Beiträge, der über 4.400 Kultureinrichtungen die einer der 35 regionalen ERKLÄRUNGEN DER VIELEN unterschrieben hatten. Insgesamt gab es Aktionen und Beiträge aus 50 Städte in Deutschland und Österreich von Projektionen auf Kulturhäusern, Live- Lesungen und Kulturbeträgen, bis zu Statements namhafte Aktiver wie Wolfgang Niedecken, Esther Bejarano, Barrie Kosky, Olaf Zimmermann, Shermin Langhoff, Annemie Vanackern, Matthias Lilienthal, Claudia Roth, Simone Barrientos, Thomas Oppermann u.v.m.

Am 9. Mai haben hunderte Menschen öffentlich,  in den social Media Accounts oder von den Balkonen in über 50 Städten die ERKLÄRUNG DER VIELEN verlesen und zahlreiche Chöre und Musiker*innen haben anschließend die alternative Europahymne Zuhause von ihren Fenstern und Balkonen singend, streamen und über die Sozialen-Medien verbreitet.